Interview mit Alec Matchalov

20211120_Interview_Alec.jpegAnlässlich des Doppeljubiläums von Alec Matchalov, dem Cafetenbetreiber des Westfalen-Kollegs im November 2021, führten zwei Lehrerinnen ein Interview mit Alec, welches nun hier nachzulesen ist:

Interview: 25 Jahre Cafete mit Alec und 50. Geburtstag

 

Deine Wurzeln sind nicht in Dortmund. Kannst du uns bitte erzählen, wie du nach Dortmund gekommen bist, was du vorher gemacht hast und wie du den Job am Westfalen-Kolleg bekommen hast?

 

Also meine erste Station in Deutschland war Dresden. Da war ich ungefähr anderthalb Jahre. Das war meine erste Zeit in Deutschland und dort habe ich erst einmal die Sprache gelernt. Irgendwann bin ich dann mit meiner Ex-Freundin, meiner zukünftigen Frau, nach Dortmund gekommen. 

Also ursprünglich komme ich aus Georgien. Da bin ich geboren und aufgewachsen, auch teilweise in Russland.

 

Und du hast in Russland auch deine Ausbildung als Koch gemacht?

 

Genau! Dort habe ich meine Ausbildung als Koch gemacht.

Meine Mutter hat mir nach meinem Schulabschluss gesagt: „Pass auf Junge, du musst jetzt eine Ausbildung machen, damit du einen Beruf hast.“ Dann hat sie mich einfach in die Kochschule gesteckt und da habe ich ein Jahr gelernt. Das war auch genügend, nach den damaligen Regeln. Aber ich muss sagen, da habe ich das Kochen nicht so ausführlich gelernt.

Weiß du, wo ich wirklich das Kochen gelernt habe, das war hier, am Westfalen-Kolleg, auch hobbymäßig.

 

Du hast dir also autodidaktisch das Kochen angeeignet! Aber du musstest ja erst einmal zum Westfalen-Kolleg finden. Wie bist du denn überhaupt auf das Westfalen-Kolleg gekommen?

 

Ja genau! Also ich habe damals, kurz bevor ich an das Kolleg gekommen bin, das war Oktober 1996, in einer WG gewohnt und meine Mitbewohnerin war auch am Westfalen-Kolleg. Und sie meinte zu mir: „Hör mal! Die suchen einen Koch am Westfalen-Kolleg Dortmund. Möchtest du nicht bei uns arbeiten? Ich meinte: „Es klingt sehr interessant“. 

Ich arbeitete damals als Fahrer in Vollzeit bei German Parcel Service. 

Dann hatte ich ein Gespräch mit dem Kollegbund. Dieter Röhrich, unser ehemaliger Schulleiter, war übrigens auch dabei. Das Gespräch verlief sehr gut. Alle waren zufrieden und ich meinte zu mir: „OK, dann kannst du hier anfangen“. Dann habe ich meinen alten Job gekündigt und habe direkt hier angefangen.

Also, ich habe mich total gefreut! Das war so etwas wie eine Erfüllung meines Traumes.

 

Ich habe gehört Alec, dass du auch einen Konkurrenten hattest. Ist das richtig?

 

Ja genau! Einen Konkurrenten.

 

Und wie hast du den übertrumpft?

 

Das war total verrückt! Wir hatten 102 Stimmberechtigte. Und dann hatten wir vier Mitbewerber insgesamt. Für mich haben 98 gestimmt! Das war für mich total krass!

 

Wer hat dich denn gewählt? Studierende?

 

Das waren Studierende, genau! Es war so: Die kannten mich ja schon, weil ich am Westfalen-Kolleg erst einmal als Aushilfe gearbeitet habe, bevor ich gewerblich übernommen wurde. Ich habe also hier schon zwei bis drei Monate gearbeitet. Wir haben immer gute Stimmung hier gemacht – Ich war damals 24 – und ich hatte schon ganz viele Freunde hier und die haben mich natürlich unterstützt!

Aber trotzdem, das war für mich so ein Moment, wo ich dachte: „Boah, krass! 98 Stimmen von 103! Das war schon viel!

 

Und seitdem sind 25 Jahre vergangen! Du feierst ja sozusagen Silberne Hochzeit mit der Cafete des Westfalen-Kolleg Dortmund.  Wie schaust du von damals, von dem Punkt aus, den du gerade beschrieben hast, auf die letzten 25 Jahre zurück?

 

Also ich freue mich, dass ich das gemacht habe und es sind seitdem wirklich 25 Jahre vergangen! Ich muss sagen, ich habe in dieser Zeit sehr viele unterschiedliche und interessante Menschen hier kennengelernt und sehr viele unterschiedlichen Phasen meines Lebens erlebt. Letztendlich bin ich froh, dass mich die Cafete so jung hält, weil ich ständig in Kontakt mit vielen jungen Menschen bin.

Ich persönlich habe immer versucht alles gut zu machen, und das spielt auch jetzt noch eine große Rolle. Ich sehe für mich bei meiner beruflichen Entwicklung noch kein Ende und immer noch ein großes Potenzial der Weiterentwicklung.

 

Darüber freuen wir uns natürlich!

 

(Alec lacht)

 

Du bist ja nicht nur Koch, sondern ein richtiger Allrounder. Womit hast du dich eigentlich sonst noch am Kolleg beschäftigt? Kochen ist deine Leidenschaft, ja, aber es gibt ja noch viele andere Dinge, in die du an unserer Schule involviert bist.

 

 

Ja, Musik ist mein Hobby. Das ist ein Hobby, das mich selbst sehr begeistert. Und ich mache das auch gerne, nur, nicht professionell, sondern hobbymäßig. Ich probiere verschiedene Instrumente aus und spiele auch einige.

Dazu kommen die vielen Menschen hier, die man jeden Tag trifft. Das nimmt sehr viel Zeit in Anspruch.

Seit ein paar Jahren beschäftige ich mich auch sehr stark mit Pflanzen; z. B. entsteht hier in dem Hochbeet bald ein kleines Blumenfeld.

 

Was hast du dort gepflanzt?

 

Kanadische Blumen, bunte Blumen… in zwei, drei Wochen sollen bunte Blumen sprießen.

Ja, du siehst daran, die Gestaltung der Cafete und auch das Blumengießen am Wochenende nimmt viel Zeit in Anspruch. Manchmal sieht man die ganze Arbeit nicht, die dahintersteckt, aber ich mache das total gerne! Die meiste Zeit meines Lebens verbringe ich (Alec lacht), glaube ich, hier, in der Cafete. Irgendwie bin ich verliebt in die Cafete, ja!

 

Man merkt, dass die Cafete deine Heimat ist. Du hast z. B. eine kleine Lounge hier eingerichtet und dann tauchen mal wieder Bilder oder neue Instrumente auf. Es läuft immer schöne Musik und was die Cafete natürlich noch geprägt hat, sind die Kollegpartys. Leider haben die in den letzten zwei Jahren nicht so stattgefunden, aufgrund der Pandemie. Die früheren legendären Kollegfeten haben ja sogar dazu beigetragen, dass wir mal den Beinamen Kingston College bekamen, der über die Stadtgrenzen von Dortmund hinaus die Runde gemacht hat.

 

Ja genau! (lacht). Gekifft wurde hier. Bevor ich hier angefangen habe zu arbeiten, habe ich das auch erlebt und ich dachte: „Wo bin ich hier?“ Ich dachte: „Bin ich in Holland, gerade?“ (Alec lacht). Viele junge Menschen …also das war so irgendwie… also äh … man hat die Augen geschlossen … es war halt einfach so!

 

Inwiefern hat sich die Partykultur an der Schule bis heute verändert?

 

Die Menschen selbst, haben sich ein bisschen verändert. Früher gab es mehr Hippies. Der Vorteil daran war, dass Hippies so friedliche Leute waren. Die haben zwar gekifft, waren aber nicht so aggressiv wie einige junge Leute heute. 

Aber trotzdem - hier an der Schule gibt es wirklich nur liebe Leute. In der Cafete steht das gewaltfreie Miteinander an erster Stelle. Das ist auch einer der Gründe, warum ich so gerne hier arbeite und die Schule so mag. Hier siehst du kaum Leute, die wirklich böse gucken. Alle haben Ruhe und sind hier nach dem Motto – wie Dieter Röhrich einmal sagte – „Leben und leben lassen“. So ist das immer noch.

 

Gibt es Ereignisse, die dich nicht mehr loslassen, weil sie z. B. besonders lustig waren?

Kannst du ein paar Anekdoten ausgraben? Du musst auch keine Namen nennen!

 

Meistens hat es natürlich mit Kollegpartys zu tun. Da hat man oft etwas Lustiges erlebt. 

Es ist schon mal passiert, dass die Leute, also, auf der Kollegparty, in Unterhose getanzt haben… mehr sage ich nicht…ich möchte natürlich keinem Schwierigkeiten bereiten… 

 

Abseits der lustigen Geschichten hast du ja sehr viel Positives hier erlebt und sehr viele interessante Menschen getroffen, aber vielleicht gibt es ja auch Sachen, die dich mal richtig genervt haben. Was nervt dich am meisten im Alltag? Gibt es auch Erlebnisse, die eher unangenehm waren?

 

Also unangenehm ist, wenn ich z. B. etwas Leckeres gekocht habe und da steht so eine Schlange an Leuten vor der Theke und auf einmal ist kein Essen mehr da. Das ist das Schlimmste, was eigentlich auf meiner Arbeit passieren kann. Wenn die Leute sich auf das Essen freuen, und es ist nichts da! Das ist mir total unangenehm.

 

Ist dir denn auch schon mal was Unangenehmes mit deinen Kunden passiert? Ich meine, nicht, dass es dir unangenehm ist, im Sinne von „Ich habe einen Fehler gemacht“, sondern, gab es schon mal etwas, wo du gesagt hast : „Nein, das akzeptiere ich jetzt nicht! Raus hier!“? 

 

Also, ich glaube ich passe mich sehr gut an Menschen an und ich bringe die Situation meistens nicht dahin, dass die Leute wütend werden. Ich streite auch total ungern mit Menschen, und wenn ich merke, dass es irgendwie zum Streit kommt, dann versuche ich das zu verhindern. Also, jetzt gerade fällt mir keine Situation ein.

 

Wenn du kochst, gibt es da Tabus für dich? Gibt es z. B. Dinge, die du niemals kochen würdest?

 

Ja, z. B. Schwein koche ich hier nicht mehr, schon seit langer Zeit nicht mehr. Das ist seit mindestens zehn Jahren so. 

Als du damit begonnen hast, kein Schweinefleisch mehr zu kochen, hat es da Diskussionen oder Beschwerden gegeben?

Ja, es gab Diskussionen mit bestimmten Leuten, die unbedingt Schwein essen wollten. (Alec lacht) Die haben nicht verstanden, warum sie kein Schwein mehr bekommen.

 

Studierende oder Lehrende?

 

Nein keine Studierende… ja ich sag lieber nichts weiter… (Alec lacht)

Dann habe ich aber trotzdem kein Schwein mehr gekocht, mit der Erklärung, wenn ich Schwein koche, dann können einige Leute mittlerweile nicht mehr hier essen. Wir haben Studierende und Lehrende mit Migrationshintergrund, die aufgrund ihres Glaubens kein Schweinefleisch essen, und ich wollte, dass sie auch bei mir essen können. Da habe ich gesagt: „Pass mal auf, wenn wir Rind oder Hähnchen kochen oder einfach nur vegetarisch, dann kann jeder essen, aber wenn wir jetzt Schwein kochen, dann fällt vielleicht 50% der Leute weg, die hier essen wollen.“ Deswegen habe ich mich umgestellt.

 

Und mittlerweile redet keiner mehr drüber…

 

Ja, richtig! Aber noch etwas, ist für mich ein Tabu: Wenn ich selbst etwas nicht essen würde, dann würde ich das auch niemals aus der Theke geben. Das ist für mich auf jeden Fall eine erste Regel! Ich achte z. B. auf Qualität von Gemüse oder Fleisch, und wenn mir das nicht gefällt, kommt das in die Tonne!

 

Hast du denn selbst ein Lieblingsessen?

 

Also Gemüselasagne ist zu meinem Lieblingsessen geworden, ich esse auch gern Gemüsereis, versuche auch selbst weniger Fleisch zu essen. Ich gehöre halt noch zu der Generation, die früher sehr viel Fleisch konsumiert hat. Deswegen ist das ein bisschen schwierig und ich muss Fleisch halt auch kochen, und wenn ich jetzt Fleisch koche, dann esse ich das auch. Wenn das Fleisch gut schmeckt, dann finde ich das schon mal gut. Dann kann man das auch essen.

 

Lass uns nochmal über deine Kunden sprechen. Gibt es große Unterschiede zwischen Lehrenden und Studierenden? Wie verhalten die sich als Kunden?

 

Ziemlich alle gleich. Respektvoll, finde ich. Ich glaube das ist wie „Geben und Nehmen“. Man gibt Respekt und bekommt diesen auch zurück.

 

Plus ein leckeres Essen…

 

…plus ein leckeres Essen, ja.

 

Das ist eigentlich eine richtig coole Zusammenfassung, weil du die Cafete als einen unterrichtsfreien Raum beschreibst, wo du zwischen den Studierenden und Lehrenden keinen Unterschied machst. An der Theke gibt es keinen Unterschied…

 

So ist es…

 

Lass uns über Hilde sprechen. Vielleicht kannst du uns ein wenig über deine Mitarbeiterinnen der Cafete erzählen. Wie wichtig sind sie dir?

 

Wichtig auf jeden Fall! Hilde und Simone sind mir schon ans Herz gewachsen. Mit Hilde arbeite ich seit 21 Jahren zusammen und mit Simone 8 Jahre. Am Anfang hätte ich nie gedacht, dass sich eine so starke Beziehung aufbaut zwischen mir und Hilde, aber jetzt weiß ich noch nicht, was ich machen soll, wenn Hilde in 3 Jahren in Rente geht. Das wird für mich eine totale Umstellung.

 

Was schätzt du an Hilde besonders?

 

Hilde bringt auf jeden Fall gute Laune mit. Wir haben immer Spaß. Wenn Hilde nicht da ist, merkt man manchmal, dass alle schweigen und alles so ruhig ist. Dann versucht man selbst etwas zu machen, damit so ein bisschen Stimmung aufkommt. Wenn Hilde zum Beispiel reinkommt, dann geht es von der ersten Sekunde an los! Und das geht so lange… man hat nur Spaß! Man lacht und lacht und hat einfach Freude bei der Arbeit! 

Ja, und natürlich ist das Vertrauen auch ganz wichtig! Ich kann Hilde voll und ganz vertrauen. Das ist wichtig. Ich kann Hilde wirklich mit Augen zu vertrauen. Wenn ich z. B. weg bin und sage: „Das und das muss gemacht werden“, dann weiß ich, dass das gemacht wird. Und wenn sie nicht kann, dann ruft sie mich an und sagt: “Alec, was soll ich jetzt machen? Es funktioniert nicht.“ Also, es herrscht absolutes Vertrauen zwischen uns. Das gilt natürlich für Simone auch. Da ist es ganz genauso.

 

Wenn man an der Theke steht, merkt man, dass ihr ein richtig bombenfestes Team seid. Noch etwas: Bei dir weiß man ja, dass du morgens schon der erste bist, der da ist. Wenn man ganz früh kommt, brennt schon in der Cafete Licht. Dein Wagen steht auf dem Schulhof. Meistens kocht schon irgendwas in der Küche oder du läufst schon hin und her und bist beschäftigt. Du bist auch in den Zeiten für die Abi-Onliner da. Das heißt, es wird auch oft spät. Du musst darüber hinaus noch einkaufen und die Buchhaltung machen. Da bleibt wenig Zeit für Hobbies. Was würdest du machen, wenn du mehr Freizeit hättest?

 

Ich schaue natürlich, dass ich mehr Freizeit habe und arbeite daran, dass ich weniger arbeite, nur das Ding ist so: Ein Kollege hat mich gefragt: „Wie machst du das? Du arbeitest so viel.“ Da habe ich ihm gesagt: „Wenn ich zur Arbeit komme, dann kriege ich richtig gute Laune, weil ich mich freue hier zu sein… und das ist auch so: Ich glaube, wenn man freudig zur Arbeitsstelle kommt und nicht überfordert wird, nach dem Motto: Was muss ich jetzt alles machen? Obwohl es klar ist, dass es viel ist, natürlich! Aber man macht es trotzdem und ich freue mich, und deswegen habe ich auch so viel gearbeitet. Ich glaube, es kann auch ein bisschen mehr als 40 Stunden sein. (Alec lacht).

 

Würdest du dich beim Westfalen-Kolleg Dortmund als Koch bewerben, wenn du jetzt nochmal die Möglichkeit dazu hättest?

 

Hundertprozentig! (Alec lacht)

 

Das Interview führten Anna Leuchert und Miriam von Gersum-Berens

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